Tauziehen um tierische Wahrheiten

Februar 2022 Die Haltung von Tieren in Zoos ist ein komplexes und oft kontrovers diskutiertes Thema. Als in der Deutsch-Konferenz im Jahrgang 5 “Stellung beziehen” behandelt wurde, haben auch die Schülerinnen und Schüler eine Chance erhalten, sich damit auseinanderzusetzen. Um deutlich zu machen, dass es sich bei diesem Thema, um ein moralisches Dilemma handelt, das nicht nur schwarz-weiß betrachtet werden kann, wurde als „Visual Thinking Routine“ ein so genanntes „Tug of war“ eingesetzt, Tauziehen also.

Mit Hilfe von „Visual Thinking Routines“ lernen die Schülerinnen und Schüler, ihr Denken „sichtbar“ zu machen. Um Raum für unterschiedliche Meinungen beim Zoo-Dilemma zu schaffen, wurde an der Tafel ein Seil aufgehängt an dessen Enden jeweils die Pro- bzw. Contra-Seite des Dilemmas symbolisierten. Diese „Routine“ baut auf der Vertrautheit der Kinder mit dem Tauziehen auf, um ihnen zu helfen, die komplexen “Kräfte” zu verstehen, die an beiden Seiten dieses Gerechtigkeitsdilemmas „zerren“. 

Im ersten Schritt wurden die Kids aufgefordert ihre persönliche Meinung zum Dilemma auf ein Post-it zu schreiben und sich dann durch Aufkleben auf eine Seite des Spektrums, zu positionieren. Im nächsten Schritt hatten sie die Aufgabe, sich in die Position der Gegenseite einzudenken und sich ein Argument für diese zu überlegen und entsprechend aufzukleben. Anschließend haben sie in der gemeinsamen Diskussion offene Fragen entwickelt, die helfen, um die nun entstandene moralische Unklarheit zu reflektieren.

Das Tau diente also dazu, das Denken der Schülerinnen und Schüler sichtbar zu machen. Ihre Gedanken wurden so dargestellt, dass die Zusammenhänge und Verbundenheit in ihrem Denken deutlich wurden. Der kooperative Denkprozess der gesamten Gruppe wurde durch die “Aktion” des Tauziehens repräsentiert. So gelang es, die dynamische Interaktion der Gedanken von Individuen im Kontext einer gemeinsamen Untersuchung aufzuzeigen.

Parallel wurde den Schülerinnen und Schülern deutlich, dass viele Themen nur oberflächlich schwarz-weiß erscheinen und es möglich ist, nach kritischer gemeinsamer Überlegung, die Tiefe der Thematik klarer zu erblicken.

Anfänglich war die Meinung der meisten Schülerinnen und Schüler hauptsächlich auf der Contra-Seite zu erkennen. Sie argumentierten, dass Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum leben sollten, und dass Zoo-Gehege zu klein und wenig artgerecht seien. Nachdem sie sich in die Gegenseite versetzt hatten, traten wichtige Argumente zu Tage, die für Zoos sprechen, wie z.B. der Artenschutz von bedrohten Tieren, die Forschung von Wildtieren oder der Bildungsaspekt für Kinder, die sonst nicht die Chance hätten, exotische Tiere so nah zu erleben. Weiterführende Fragen, die aufgekommen sind, waren: “Werden die Tiere in Zoos gut behandelt?”, “Kann man Zoos so gestalten, dass es den Tieren gut geht?”, “Wo sind Tiere glücklicher?” und “Warum werden Tiere in Zoos meist älter als in freier Wildbahn?”.

Das Tauziehen um tierische Wahrheiten wurde zu einer beispielhaften, fächerübergreifenden Lernerfahrung. Bei ihrer Auseinandersetzung mit dem Thema haben die Kinder Fragen aus den bereichen, Deutsch, Ethik und Biologie behandelt und wichtige Kompetenzen trainiert, wie Empathie-Fähigkeit und kritisches Denken. Es ermöglicht ihnen problematische Themen von unterschiedlichen Seiten zu betrachten und durch die Beleuchtung der Grauzonen, idealerweise Schritte aufeinander zu zu machen.